“Kann gehärtetes Glas mit dem Laser geschnitten werden?” ist eine der am häufigsten gestellten Fragen in der Glasindustrie. Kurze Antwort: Im Allgemeinen nein. Denn der Temperprozess erzeugt im Glas ein hohes Maß an Eigenspannungen, und Schnitt/Bohrung/Aussparungen nach dem Tempern können zu plötzlichem Bruch führen. Um die Rolle des Lasers in Glasanwendungen und alternative Prozesse im Kontext zu sehen, besuchen Sie die Seite Sektor Glas.
Warum macht Tempern das Laserschneiden riskant?
- Inneres Spannungsprofil: Beim Tempern entstehen Druckspannungen an der Oberfläche und Zugspannungen im Kern. Ein Schnitt- oder Tiefgravurversuch stört dieses Gleichgewicht.
- Plötzliche Fragmentierung: Gehärtetes Glas zerfällt bei Beschädigung in kleine Stücke. Der lokale Heiz–Kühl-Zyklus des Lasers kann Risse initiieren.
- Lokale Mikrorisse: In Bereichen hoher Energiedichte können Mikrof ehler wachsen und zum Bruch führen.
Daher sollten Laserschneiden, Bohren und Ausnehmungen vor dem Tempern geplant und durchgeführt werden.
Wird der Laser gar nicht eingesetzt? (Oberflächengravur/Markierung)
In einigen Fällen kann auf gehärtetem Glas eine seichte Oberflächengravur/Markierung angewendet werden. Dies sollte jedoch für nicht-strukturelle und risikoarme dekorative/kennzeichnende Zwecke und innerhalb eines engen Parameterfensters betrachtet werden:
- Niedrige Leistung, hohe Geschwindigkeit, großer Spot (zur Begrenzung der Wärmeakkumulation)
- Großer Schraffurabstand und geringe Scandichte
- Muster–Freigabe-Zyklus und Beobachtung der Langzeitbeständigkeit
Selbst Gravur nach dem Tempern ist bei strukturellen/maßkritischen Paneelen nicht zu empfehlen. Für umfangreiche dekorative Arbeiten ist die Gravur vor dem Tempern mit anschließendem Tempern der sicherste Ablauf.
Richtiger Workflow: Schneiden/Bohren/Gravur → Tempern
- Konstruktion und Dateivorbereitung: DXF/SVG/AI, Einheiten in mm, getrennte Ebenen für Schnitt–Gravur, Toleranzhinweise.
- Vorprozesse: Kantenschleifen/Polieren, Bohren, Aussparungen, Anfasen. (Vor dem Tempern)
- Muster und Freigabe: Bei Geometrien mit hohem Bruchrisiko unbedingt Musterschnitte.
- Thermisches Tempern: Abmessungen und Bohrungen werden fixiert; nach dem Tempern keine Nachbearbeitung.
- Qualitätskontrolle und Verpackung: Kantenqualität, Oberflächenprüfungen, ggf. Heat-Soak-Tests.
Geeignete Maschinen- und Prozesskombinationen finden Sie auf den Seiten Laser-Schneid- und Markiermaschinen und Laserschneidsysteme.
Alternativen: Wasserstrahl, CNC-Diamant oder Laser?
In der Vor-Temper-Phase stehen mehrere Methoden zur Formgebung der Geometrie zur Verfügung. Je nach Design, Dicke und gewünschter Kantenqualität hilft der folgende Vergleich bei der Entscheidung:
Technologie | Vorteil | Einschränkung | Empfohlene Anwendung |
---|---|---|---|
Wasserstrahl | Gut bei dicken Gläsern; komplexe Konturen; keine thermischen Schäden | Für glatte Kanten ggf. zusätzliches Schleifen erforderlich | Dicke/komplexe Paneele, präzise Aussparungen/Bohrungen |
CNC-Diamant | Hohe Kantenqualität; gute Kontrolle von Bohr-/Bodenradien | Bei sehr feinen Details längere Bearbeitungszeit möglich | Architektonische/dekorative Arbeiten mit hohen Kantenanforderungen |
Laser (CO₂) | Schnell bei dünnem Glas und für dekorative Gravur | Begrenzt bei dickem Glas und feinen Bohrungen; thermische Effekte | Dünne/mittlere Dicken, Kombinationen aus dekorativer Gravur + Schnitt |
Bei der Entscheidung hilft eine einfache Entscheidungsmatrix je nach Projekttyp:
- Dicke >= 10–12 mm → Wasserstrahl / CNC-Diamant
- Höchste Kantenqualität → CNC-Diamant (+ ggf. Politur)
- Dünnes Glas + dekorative Gravur → Laser (vor dem Tempern)
- Sehr viele Bohrungen/Aussparungen → Wasserstrahl (anschließende Kantenverbesserung)
Konstruktionsregeln (Richtwerte)
Die folgenden Richtlinien sind typische Praxiswerte; sie können je nach Lieferant und Projekt variieren:
- Mindestlochdurchmesser: Mindestens gleich der Glasdicke (häufig ≥ 6 mm).
- Abstand Loch–Kante: Mindestens 2 × Glasdicke (oder ≥ 1,5 × Lochdurchmesser).
- Abstand Loch–Loch: Bevorzugt ≥ 4 × Glasdicke.
- Innenradius an Ecken/Aussparungen: Mindestens die Glasdicke (scharfe Ecken vermeiden).
- Gravur bei strukturellen Paneelen: Vor dem Tempern planen; nach dem Tempern nicht empfohlen.
Zur Validierung dieser Regeln sind Musterschnitte sinnvoll; besondere Aufmerksamkeit in hochbelasteten Bereichen (Scharniere, Befestigungen).
Qualitätskontrolle, Sicherheit und Tests
- Kantenqualität: Kriterium für Absplitterungen (Chipping) von Anfang an definieren; ggf. Kantenpolitur/Anfasen vorsehen.
- Spannungsbedingter Bruch: Bei risikoreichen Projekten Heat-Soak-Prüfungen erwägen.
- Verpackung und Transport: Versand mit Kantenschutz und schwingungsdämpfenden Lösungen.
Checkliste vor dem Angebot (vor dem Tempern)
- Datei: DXF/SVG/AI, mm, getrennte Ebenen für Schnitt–Gravur, Toleranzen.
- Glasinformationen: Art, Dicke, Beschichtung/Spiegelstatus, Stückzahl.
- Kantenziel: Polieren/Anfasen, Abstände Loch–Kante.
- Terminplanung: Muster–Serienplan, Bedarf an Beschleunigung.
Für die richtige Auswahl von Ausstattung und Prozess besuchen Sie die Seiten Laserschneidsysteme und Laser-Schneid- und Markiermaschinen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Kann gehärtetes Glas mit dem Laser geschnitten werden?
Im Allgemeinen nein. Nach dem Tempern wird das interne Spannungsgleichgewicht durch den thermischen Effekt des Lasers gestört und es kann zu plötzlichem Bruch kommen.
Wann sollten Schnitt, Bohrungen und Aussparungen erfolgen?
Alles vor dem Tempern. Das Glas erhält anschließend durch das Tempern seine endgültige Form, die Maßhaltigkeit bleibt erhalten.
Ist Oberflächengravur auf gehärtetem Glas möglich?
Nicht-strukturelle, seichte dekorative/kennzeichnende Gravur kann innerhalb eines engen Parameterfensters und mit Musterfreigabe geprüft werden. Für strukturelle Paneele nicht empfohlen.
Welche Technologie ist geeigneter: Wasserstrahl, CNC-Diamant oder Laser?
Wasserstrahl für dickes Glas und komplexe Aussparungen; CNC-Diamant für höchste Kantenqualität; Laser (vor dem Tempern) für dünne/dekorative Arbeiten.
Was sind allgemeine Regeln für Loch- und Kantenabstände?
Mindestlochdurchmesser ≈ Glasdicke; Abstand Loch–Kante ≥ 2 × Dicke; Abstand Loch–Loch ≥ 4 × Dicke; Innenradius ≥ Dicke. Kann je nach Projekt und Lieferant variieren.